Bregenz/Vorarlberg – „Solidarität für ein gutes Leben für alle heißt für mich, dass alle Menschen auf der Erde einen fairen, gerechten und solidarischen Zugang zu den vorhandenen Ressourcen wie Boden, Wasser, Energie, Rohstoffe und Dienstleistungen, aber auch zu Bildung und Gesundheit haben und in Sicherheit auf die Straße gehen können“, erläutert der Energieexperte und Klubobmann der Grünen in Vorarlberg, Adi Gross. Alle Menschen sollen Perspektiven für ihr Leben erkennen können.
Von Verena Daum (der Artikel ist am 4. Juli 2017 im VN-Extra „Grünes Leben“ der Vorarlberger Nachrichten erschienen)
„Das ist derzeit leider überhaupt nicht der Fall“, ärgert sich Gross. „Ein gutes Leben ist nur mit einem gesicherten Grundwohlstand möglich. In den reichen Ländern haben wir einen extremen Ressourcenverbrauch, verursachen hohe Emissionen und treiben damit den Klimawandel an.“
Wieder lernen, fair zu teilen
„Viele Handelsbeziehungen sind einseitig zugunsten der reichen Länder ausgerichtet und zerstören regionale Strukturen“, sagt Gross. „Viele Menschen sind gezwungen ihre Heimat zu verlassen, weil einfach nicht genug für ein menschenwürdiges Leben da ist. Auch bei uns gibt es viel zu große Unterschiede im Einkommen und beim Vermögen. Das kann man nicht mit Leistung argumentieren. Auch die Menschen mit wenig Einkommen arbeiten hart. Es wäre aber auf der Welt genug da für alle. Wir müssen es nur solidarischer verteilen und lernen, zu teilen.“
Gestaltung von Lebensraum
„Das Leben findet zu einem ganz großen Teil in unserer jeweils unmittelbaren Umgebung statt. Dort sollten wir uns wohlfühlen können“, führt Gross aus. „Dort sollte alles, was wir täglich brauchen, in der Nähe sein. Also Lebensmittelläden, Bäckerei, Kinderbetreuung, Schule, Post, Apotheke, etc. Die hochwertigsten und schönsten Räume sind die, die für die Menschen konzipiert sind.“
„Auf Plätzen, die als Grünräume gestaltet sind, findet Begegnung statt“, so Gross. „Lebensräume für Menschen sind dort, wo man sicher zu Fuß gehen kann. Und wo eben nicht alles einseitig auf das Auto ausgerichtet ist. Oder darauf, dass man weit fahren muss, um einzukaufen oder zum Arzt zu gehen. Oder wo man rausfahren muss, um sich erholen zu können. Damit kommt der Raumplanung und den Zielen, die sie vertritt, eine enorme Bedeutung zu. Der Mensch mit seinen sozialen Bedürfnissen gehört in den Mittelpunkt und nicht Investoreninteressen und nicht Ansprüche eines Verkehrsmittels.“
„Wohnen ist ein Grundbedürfnis“, betont Gross. „Wenn man sich das Wohnen nicht mehr leisten kann, dann wird es wirklich schwierig. Dann läuft etwas grundlegend falsch. Vor allem haben sich die Bodenpreise ins Uferlose entwickelt. Einige wenige verdienen damit viel Geld. Der Profit weniger, wofür ja nicht einmal eine Leistung erbracht wurde – jedenfalls nicht für die Wertsteigerung –, steht in scharfem Kontrast zum Bedürfnis, leistbar wohnen zu können, Wohnraum für jene zu sichern, die es nicht so dick haben. Und das sind immer mehr Menschen. Da braucht es ein Umdenken.“
Gute Nahversorgungsstrukturen
„Das öffentliche Interesse der Wohnraumschaffung muss wieder stärker gegenüber Einzelinteressen gewichtet werden. Auf der anderen Seite verbrauchen wir aber viel zu viel Boden“, sagt Gross. „Wir müssen auch dringend unsere Siedlungsstrukturen überdenken. Ein Zugang ist hochwertige Verdichtung. Dazu gehört unabdingbar eine Quartiersbetrachtung. Das meint, dass es für ein lebenswertes Wohnen nicht nur auf das Gebäude ankommt, sondern auf das ganze Umfeld. Dass es Nahversorgungsstrukturen gibt, Grünräume, Spielplätze, Fußwege, Begegnungsräume, Anschluss an den öffentlichen Verkehr. Vor allem das Rheintal wächst stark, entwickelt sich in einen urbanen Raum. Wir hängen aber noch an den Siedlungsstrukturen der Vergangenheit.“
Förder- und Steuerreform
„Ein intakte Umwelt, gesunde Böden, und ein verträgliches Klima sind unsere Lebensgrundlagen“, macht Gross deutlich. „Wir sind drauf und dran, unseren Planeten zu verbrennen. Eines der zentralen Steuerungsinstrumente in unserem System ist das Geld. Dort müssen wir ansetzen, nicht um die Menschen finanziell mehr zu belasten, sondern zu entlasten, was wir haben wollen, nämlich Beschäftigung, und zu belasten, was unsere Zukunftschancen und die Natur zerstört.“
Zentraler Schritt wäre es laut Gross, Arbeit steuerlich massiv zu entlasten: „Damit kann Arbeit geschaffen werden. Im Gegenzug müssten etwa schädliche Emissionen, Verbrauch endlicher Ressourcen, Bodenverbrauch usw. stärker besteuert werden. Damit wird es auch viel einfacher, gute Nahversorgungsstrukturen zu realisieren, den öffentlichen Verkehr noch besser auszubauen, die Regionalwirtschaft und unsere Bauern zu stärken. Im Grunde wäre es einfach. Die Konzepte liegen auf dem Tisch. Wir nennen das ein sozial ökologisches Steuersystem.“