Bregenz, Quibdó – Eine gelebte solidarische Partnerschaft für Natur- und Klimaschutz sowie Ökolandwirtschaft: Seit 1993 unterstützt Klimabündnis Vorarlberg (KBV) die Menschen in der Partnerregion Chocó, einem Regenwaldgebiet an der kolumbianischen Pazifikküste, in Zusammenarbeit mit der sehr engagierten Diözese von Quibdó. Im sogenannten Autonomieprojekt wurde Seite an Seite mit der Kirche sowie den indigenen und afrokolumbianischen Basisorganisationen für die territoriale Selbstbestimmung gekämpft. „Unser Ansatz war und ist, dass ein effekiver Schutz der Regenwälder nur aus einer starken lokalen Basis heraus gelingen kann“, erklärt Projektleiter Daniel Sperl. Nach 50 Jahren Krieg haben sich im Friedensprozess, der vor einem Jahr begann, viele Bürger- und Opferinitiativen gebildet, die das Recht auf ihr Land von der Regierung gesichert sehen und selbstbestimmt ökologisch-sozial wirtschaften wollen.
Von Verena Daum (die Reportage ist am 16. September 2017 in den Vorarlberger Nachrichten, VN-Extra „Klimaschutzpreis 2018“, erschienen)
„Die Menschen haben kein Vertrauen in die Regierung“, wissen unsere Regionalkoordinatoren, die Sozialanthropologin Claudia Howald sowie Agrar- und Forstingenieur Olivo Marmolejo, die auf die Notwendigkeit gelebter Wirtschaftsethik verweisen: „Die Bevölkerung wurde zwischen den Fronten zerrieben, vertrieben und massakriert: im Krieg der revolutionären FARC und ELN gegen rechte Paramilitärs multinationaler Konzerne wie Chiquita und die Staatsarmee. Zur Traumataverarbeitung ist jetzt ein gesamtgesellschaftlicher Versöhnungsprozess mit vorangehender offizieller Entschuldigung des Staates beim Volk nötig. Gefolgt von staatlich gesichertem Recht auf ein Leben und Wirtschaften im Einklang mit der Natur.“ Daher initiiert KBV durch gezielte Netzwerkarbeit seit Jahren lokal verankerte Projekte, die sich inhaltlich auf die Bereiche Bildung, Umweltschutz und ökologische Landwirtschaft fokussieren. „Ab 2018 sollen auch Initiativen zur Rettung des durch illegalen Goldabbau verschmutzten Rio Atrato gefördert werden“, informiert Daniel Sperl.
Fluss des Lebens: „Werte und Perspektiven zur Bewahrung des ökologischen Reichtums vermitteln.“ (Daniel Sperl, Projektleiter Klimabündnis-Chocó)
Der Rio Atrato ist der Hauptfluss des Chocó und Lebensader der Region. In seinem Quellgebiet, an den vielen Zuflüssen und seinen Ufern leben die Menschen, denn befahrbare Landwege gibt es so gut wie keine. Der Fischfang und in gewissen Bereichen die Gewinnung von Gold spielen seit jeher eine wichtige Rolle für die traditionell in Subsistenzlandwirtschaft tätige Landbevölkerung. Durch die Mechanisierung des Goldabbaus unter unkontrolliertem Einsatz von Chemikalien wie Quecksilber wurde dem Fluss bereits enormer Schaden zugefügt. Studien eines regionalen Forschungsinstitutes belegen vergiftete Fischbestände und gesundheitliche Konsequenzen für die Bevölkerung. „Daher folgte heuer ein historisches Urteil des Verfassungsgerichtshofs, wonach der Rio Atrato und all seine Zuflüsse mit sofortiger Wirkung als Rechtssubjekt anerkannt wurden und damit von öffentlicher Hand nicht nur besonders geschützt, sondern auch ökologisch saniert werden müssen“, freut sich Daniel Sperl über den ersten Schritt. Jedoch ist Papier bekanntlich geduldig und der Staat bringt bisher nicht die Mittel auf, gegen die mit bewaffneten Gruppen verbündeten illegalen Goldschürfer vorzugehen. KBV unterstützt die Fluss-Gemeinden und will auch mit Medien- und Lobbyarbeit in Kolumbien und Österreich politischen Druck erzeugen. Durch Umweltbildung an Schulen werden Kindern und Jugendlichen Werte und Perspektiven vermittelt, die die Bewahrung des ökologischen Reichtums in den Vordergrund rücken. „Konkrete Projekte machen das sichtbar“, führt Daniel Sperl aus.
Regional-globale Agrarwende: „Ein gesellschaftlicher Versöhnungsprozess, Wirtschaftsethik und Agrarwende sind nötig.“ (Claudia Howald, Regionalkoordinatorin in Quibdó im Chocó)
Weltweit gehen kleinbäuerliche Familienbetriebe an den giftigen Monokulturen der Agroindustrie zugrunde. Auch der Chocó ist nach dem Krieg und wegen einer marktwirtschaftlich orientierten Zentralregierung von einer Dynamik der Landflucht betroffen. „Um diesem Trend entgegenzuwirken, unterstützt KBV gezielt agroökologische Modellbauernhöfe“, sagt Daniel Sperl. „Sie zeigen als funktionierende Alternative auf, wie und dass die nötige Agrarwende im Naturkreislauf herbeigeführt werden kann. Auch der begleitende Aufbau von sanftem Ökotourismus leistet einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Umdenken und stellt eine interessante Zusatzeinkommensquelle für die Campesinos dar.“ Um auch im Chocó den Generationswechsel auf den arbeitsintensiven Kleinbauernhöfen sicherzustellen, hat das Klimabündnis 2016 zusammen mit der Stadt Dornbirn und der lokalen Naturschutzorganisation Serraniagua ein konkretes Programm mit den Kaffeebauern von El Cairo gestartet. Ziel ist es, 2018 deren wohlschmeckendes Produkt per Direkthandel in die Vorarlberger Klimabündnisgemeinden zu bringen und damit auch hierzulande Bewusstsein für die wichtige Arbeit der kolumbianischen Partner zu schaffen. Und natürlich kann sich jeder beim KBV engagieren, als Mitglied oder durch die Mitorganisation bewusstseinsbildender Veranstaltungen im Ländle. Mitgliedsgemeinden stellen die Basisfinanzierung, um die Chocó-Programme erfolgreich umsetzen zu können.
Engagierte Mikroprojekte aus der Basis, aus der Bevölkerung heraus sind nachhaltig und die Zukunft
Seit einem Jahr gibt es auch wieder eine österreichische Botschaft in Bogotá und mit Marianne Feldmann eine engagierte Botschafterin, die KBV bestmöglich unterstützt. „Leider konnte sie bisher unsere Regierung nicht für ein entwicklungspolitisches Engagement in Kolumbien gewinnen, weil das Land nicht zu den Schwerpunktregionen der Austrian Developement Aid (ADA) zählt. Daher leistet Österreich auch keinen Beitrag für den EU-Trust-Fonds, der zur erfolgreichen Umsetzung des Friedensabkommens benötigt wird. Dem Land fehlen die Mittel, um alle vereinbarten Vertragspunkte ganzheitlich umzusetzen. Im Budgetentwurf 2018 werden die Mittel fürs Umweltministerium um 60 Prozent gekürzt, obwohl sich genau dort wichtige Agenden aus dem Friedensabkommen ableiten. Ungeachtet dessen arbeitet der aus dem Chocó stammende amtierende Umweltminister Luis Gilberto Murillo an wichtigen Programmen, um illegalen Goldabbau und Regenwaldabholzung in den Griff zu bekommen. Gegenüber KBV ist das kolumbianische Umweltministerium um gute Kooperation bemüht. Der UN-Menschenrechtsbeauftrage Todd Howland hob beim Treffen in Bogotá im August gegenüber der KBV-Chocó-Delegation (VN-Bericht am 29.8.) die Bedeutung sogenannter Mikroprojekte für die lokale Bevölkerung hervor: Die Situation in einer der ärmsten und komplexesten Regionen Kolumbiens lasse sich dadurch zwar nur langsam, dafür aber nachhaltig und seriöser als durch so manches Großprojekt verbessern.

Greed poisons rivers – Rio Atrato Colombia, Verena Daum Garden Eden Organisation, info@garden-eden.org, www.progression.at

Schüler und Jugendliche der indigenen und afrokolumbianischen Bevölkerung am Rio Atrato, seinen Zuflüssen und im Quellgebiet, setzen sich für Biolandwirtschaft und den Schutz des Wassers und des Regenwalds ein. Verena Daum, www.progression.at, Garden Eden Organisation